I, Sonntag, d. 27.1.1946
Mein herzliebstes Mädel!
Mit Sehnsuch warte ich auf den
ersten Brief von Dir. Hoffentlich
kommt einer mit, wenn der ... wieder
zurückkommt, der diesen Brief mit-
nimmt. Jetzt kann ich mich mal
wieder so richtig auslassen. Ich hoffe
ja nicht, daß die Briefe innerhalb
Deutschland geöffnet werden. Meine
anderen Briefe wirst Du wohl alle
bekommen haben, Dann weisst
Du ja, daß es mir gut geht. Wenn
Du jetzt denkst, daß es mir noch
mal so gut geht, dann hast Du mei-
ne jetzigen Verhältnisse. Ich bin
noch immer in St. Dizier und
in demselben Lager mit denselben
Leuten. Nur haben wir eine neue
amerikanische Führung, die uns wohl-
gesinnt ist. Jetzt kommt auch heraus,
wie wir von der vorigen beschissen
worden sind. Die Verpflegung ist
vielleich zehnmal besser geworden.
Ich will Dir mal von einem Tage einen
Speiseplan geben. Morgens: Rührei
von frischen Eiern (mindestens zwei
bis drei pro Mann), ein Streifen Speck,
dazu Weissbrot, soviel man will, gezuckerter
Milchkaffee (echt) und ausserdem Fisch,
soviel man will. Mittags: Kartoffepuree,
Nudeln, grüne Erbsen, Gulasch, dazu
Grapefruit-Saft, als Nachspeise für zwei
Man eine große Dose Apriḱosen. Als Nach-
speise gab es auch mal eine halbe Grapes-
fruit (das ist eine Pampelmuse). Abends:
Dicken Reis, Kaffee, Sauce, Brot. So geht
es schon die ganze letzte Woche, solan-
ge die alte amerikanische Führung fort
ist. Mit den Amerikanern sind auch
einige PW's (Deutsche) mit weggegan-
gen, die nicht gut waren. Aus dem
siehst Du, daß es mir hier noch
gut geht. So gut, wie ich es jetzt habe
werde ich es wohl nie mehr in mei-
nem Leben bekommen. Das heisst, ein
so faules uns sorgenloses Leben und
so gutes Essen ohne etwas daran getan
zu haben. Die äusseren Verhältnisse
sind eben PW-Verhältnissse und dann
fehlt uns die Freiheit, das eigene
Handeln.
II,
Ich habe mir alles sehr schön einge-
richtet. Ich habe alles, was ich so
brauche in meiner ärztlichen Tätigkeit.
Mein eigenes Stetoskop hatte ich ja
durchgerettet durch alle Plünderungen.
Einen Ohrenspiegel und Ohrtrichter habe
ich mir hier machen lassen. Ich habe
einen Sterilisator, Instrumente, Fieber-
messer. Dann habe ich auch einen De-
stillator, den ich mir selbst gebaut
habe. Vorgestern habe ich mir einen
Elektro-Kauter gebastelt. Das ist eine
Glühschlinge, die man braucht zu
kleinen Operationen, die keine Narben
geben sollen, wie z.B. Warzen oder
Muttermäler entfernen. Mit Medi-
kamenten bin ich auch reich gesegnet.
Ich würde mich freuen, wenn ich zu
Hause soviel hätte. Nur kann ich
von all den Sachen nichts mitnehmen,
sonst würde ich mitschleppen was
ich könnte.
Wie sieht es denn bei Euch aus?
Wenn ich doch einmal Nachricht
von Dir hätte, herzliebstes Mädel.
Zwei schöne Ringe habe ich machen
lassen, einen für Dich und einen
für mich, den ich jetzt immer trage,
seit September. Ich hoffe, daß wir
etwa Ende März entlassen werden.
Unser Lager ist zum ersten Mal zur
Entlassung freigegeben. Wenn hier die
Arbeit vorbei ist, dann werden wir ent-
lassen. März ist der Winter vorbei.
Dann ist es nicht so tragisch, wenn
wenn man noch in offenen Güter-
wagen fahren muss.
Heute haben wir im Lager wieder einige
erfreuliche Nachrichten aus Deutschland
bekommen. Verschiedene Leute haben
auf schwarzem Wege Post bekommen.
Ich hoffe, daß ich in der kommenden
Woche auch Post bekomme. Du, Schatzel,
wirst mir auch geschrieben haben. Du
kannst mir weiter an die Adresse
schreiben, die auf dem Briefe steht.
Das ist der sicherste Weg und der schnell-
ste. Über die Schweiz schreibe bitte
nicht. Über die reguläre Post kannst
Du mir auch schreiben. Die richtige
Adresse will ich Dir nochmal auf-
schreiben: Unterarzt Dr. Fr. E. 31/G2342220.
German] 1184 Labour Superv. Co. A.P.O. 164 U.S.Army.
Und alles in Druckschrift, notiere Die bitte
diese Adresse.
Hinter die Nummer muss German: 31/G2342220 German
download klein.pdf gross.pdf (bitte etwas Geduld)