25.                           Wewelsburg, d. 1.August 46
                                  Metz, d. 16.8.46.

            Mein liebster Waldo!
  Schon gestern abend wollte ich Dir geschrieben haben. Da kam
der Herr Pastor u. somit blieb es dabei. Heute habe ich Deinen
lieben Brief Nr.8 vom 21.7. erhalten. Ich freue mich immer so sehr über
jede Zeile von Dir. Schade, daß Du mir nicht mehr u. öfter schrei-
ben kannst. Deine nummerierten Briefe habe ich bis auf Nr.5 alle
erhalten. Aber manchmal hast Du die Nr. vergessen. Vielleicht war
die fehlende Nr. auch eine Karte!?
Liebster, was müssen wir doch lange aufeinander warten. Ich kann
noch immer die Hoffnung nicht aufgeben, daß Du doch vielleicht
eher entlassen wirst als Du zu hoffen wagst. Ja, Liebster, ich bin
Dir treu. Es ist ein Glück für mich, daß ich Dich habe. Du bist
das Ziel all meiner Hoffnungen u. Wünsche. Trostlos, inhaltlos
schiene mir das Leben ohne Dich. Diese Wochen schrecklichen Wartens
werden auch vorüber gehen. Wie mir Deine Mutter erzählte, hast
Du sehr gute Aussichten in Dortmund. In dieser Hinsicht bist Du
ein Glückspilz. Du hast überhaupt im allgemeinen viel Glück.
Aber, sag mir mal wie soll ich schon für unsere Zukunft sorgen?
Es gibt nichts zu kaufen. Das Nötigste, ein Schlafzimmer habe ich.
Hätten wir ein Wohnzimmer, ich glaube, es würde beschlagnahmt.
Heute ist wieder ein Transport Ostflüchtlinge aus Schlesien, die
von den Polen ausgewiesen sind, angekommen. Diese armen Menschen
u. wie unfreundlich werden sie oft aufgenommen.
Wir haben hier u. auch unten 1 Frau mit 1 Jungen aufnehmen
müssen. Unsere Leute machen keinen guten Eindruck. Ich war heute
beim Zahnarzt, er hat mir einen Zahn plombiert. Mit meinem
Ohr sieht es nicht gut aus. Es hat sich noch nicht gebessert. Als
ich den Dr. Wachter frug, ob sich die Schwerhörigkeit nicht beheben
ließe, machte er ein bedenkliches Gesicht. Ich muß noch einmal
zu ihm hin. Am Dienstag war ich mit Lothar auf dem
Rummelplatz (Libori). Es ist dort nicht viel los. Das einzige was
mich reizen konnte war die Schiffschaukel. Die großen Karussel,
Riesenrad, Achterbahn, Raupe u. vieles andere von früher war
nicht da. Es war ein Bombenbetrieb, ich weiß nicht woher die Leute
das Geld nehmen. Das Geld wird knapp. Die Lebensmittel sind
viel teurer geworden. Die Bahnfahrt kostet das doppelte auch
die Postsachen. Allein des Geldes wegen wäre es gut, Du kämest
bald u. Ihr könntet bauen. Man weiß noch nicht wie es wird.
Die Ansichten darüber sind so verschieden.
Wir bekommen auch in diesem Jahr wieder so viele Weintrauben.
Du mußt sorgen, daß Du hier bist wenn sie reif sind. Sie sind
so wunderbar süß. Waldo, denk nicht, Du bekämest eine
Frau die fast taub ist. So schlimm ist das nicht mit mir.
Vor 2 u. 3 Jahren war es wohl auch schon so.
Unser Otto ist der liebe Junge geblieben. Er will nun erst seine
Lehre als Kaufmann aus machen. Oktober kommt er wieder zu Lödiges
in Paderb. zu seiner alten Stelle. Ulrich ist jetzt bei uns. Er sieht
Onkel Alfons u. Opa ganz ähnlich. Lothar konnten wir heute
schon wieder holen, am Dienstag hatte ich ihn weggebracht ins
Herz-Jesu-Krankenhaus. Der Bogen ist voll. Grüßen soll ich Dich
immer von allen.
Gute Nacht! Sei herzlichst gegrüßt von Deiner Josi.

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Blatt 1/2 von 1946.08.01 Brief Josi an Franz



Blatt 2/2 von 1946.08.01 Brief Josi an Franz