46.                           Wewelsburg, d. 17.Okt. 46
                                  Attichy, d. 1.Nov.46.

         Franz, Du mein Geliebter,
                    am Dienstag, als
ich Deinen lieben Brief Nr. 17 erhielt, war ich
überglücklich. Ich war so froh in dem schönen
Gedanken, daß es nur noch ganz wenige Tage
sein konnten die uns voneinander trennten.
(Aber warum schreibst Du mir so lange nicht,
ich habe schrecklich gewartet. Ich wollte Dir
schon böse sein u. Dir ordentlich meine Meinung
sagen. Aber am Dienstag war ich zu glücklich
u. konnte Dir schon darum nicht mehr böse sein
u. heute bin ich zu traurig. Du Ärmster tust
mir so leid. Von mir will ich garnicht schreiben,
denn ich könnte fast verzweifeln. Ich muß immer
an Dich denken. Wie mag es Dir nur gehen. Lieb-
ster, wie erträgst Du das!?
Maria hat mir für Dich einige schöne Verse
geschickt, ich schreibe sie gleich für Dich ab.
Gestern ließ der Herr aus Fürstenberg mir durch
Fr. Klocke die Grüße bestellen. Otto hat dann
gestern abend telefonisch mit dem Herrn gesprochen.
So haben wir erfahren, daß Du dort wieder als
Arzt eingesetzt bist. Otto befürchtete das ja
immer, er schreibt Dir auch, er war auch
einmal in der selben Lage, in der Du Dich
jetzt befindest.
Heute schickte mir der Willi aus Neuhaus Deine
neue Anschrift (durch die Post). War es Dir nicht
möglich, mir ein klein wenig mehr zu schreiben,
oder warest Du noch zu sehr verärgert? Ich
war enttäuscht u. hoffe bald mehr von Dir zu
hören. Deiner Mutter habe ich gestern abend geschrie-
ben, ich werde ihr auch sofort Deine neue An-
schrift mitteilen.
Otto hat mir gerade seinen Brief an Dich vorge-
lesen, darin schreibt er schon alles Neue.
Mir geht es bis auf diese furchtbare Enttäuschung
daß Du noch nicht kommst, gut. Ich bin zwar
etwas erkältet, aber das hört im Herbst so dazu.
Heute haben wir die letzten Runkeln ausgemacht.
Es ist doch eine tolle Quälerei.
Um Mutter mache ich mir Sorgen. Wir wollten
schon mal einen anderen Arzt zuziehen u.
Mutter durchleuchten lassen, aber Dr. Trauboth
sagt, es könnte nichts anderes als Gürtelrose sein.
Dem Dr. Trauboth traut hier niemand etwas
zu. Mutter wartet sehr auf Dich.
Die Weintrauben sind bald alle. Nun brauche
ich keine Angst mehr haben, daß für Dich
keine hängen bleiben.
Wie sind die Aussichten auf Entlassung?
Otto sieht doch wohl zu schwarz.
Hannas schöne Tage sind auch vorbei.
Herr Steinort ist am Montag wieder abgereist.
Schade, daß er nicht kath. ist. Ich kann ihn
gut leiden u. möchte ihn wohl als Schwager haben.
Diese Verse scheinen mir heute besonders geeignet.

Geh Du mit Gott
in seiner Gnad'
wollen stark u. froh wir sein,
in ihm sind wir uns immer nah,
sind niemals mehr allein.

Geh Du mit Gott!
Wo Du auch gehst
ist Gott um Dich u. mich
er trägt u. stärkt uns sicherlich
u. schützt uns gnädiglich.

wir sagen „ja”
zu seinem Weg,
ob es auch stürmt u. tobt.
Drum sind wir froh in Gottes Hand
u. unser Lied ihn lobt.

Liebster, wir wollen auf den lieben Gott vertrauen
u. nicht verzagen u. zu allem „ja” sagen. Wenn
Du diesen Brief erhälst, wirst Du Dich schon etwas
mit Deinem Los abgefunden haben. Hoffentlich läuft
er nicht so lange.
Viele liebe u. sehnsüchtige Grüße sendet Dir Deine
Dich über alles leibende Braut.

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Blatt 1/4 von 1946.10.17 Brief Josi an Franz



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