Kirchlinde, d. 10.8.47
Herzliebste Josi!
Mein süsses Frauchen sollst Du sein,
aber in Wirklichkeit bist Du es noch nicht.
Es ist alles so masslos traurig. Man legt
mir hier wegen der Heirat Schwierigkei-
ten in den Weg, dass es garnicht mehr schön
ist. Ich bin ganz fertig, ich möchte am
liebsten hier gleich aufhören. So macht es
bald keinen Spass mehr. Erst hatte ich Last,
dass der Vikar soweit war, dass er bald da-
mit einverstanden war. Er will sich aber
vorher noch erkundigen. Es geht ja in Wirk-
lichkeit nur um das Geld. Du glaubst gar-
nicht, wie knickerig die sind. Wenn ich ver-
heiratet bin, müssen sie mir mehr bezahlen,
und wenn ich Kinder habe, noch mehr. Und
die andere Befürchtung ist, dass ich länger
hierbleibe, wenn ich erst mal eine Wohnung
hier habe. heute bin ich hier das erste
Mal von der Kanzel verlesen worden. Und
das hat auch Staub aufgewirbelt. Der Chef
war im Hochamt und hat es gehört. Ich hatte
ihm allerdings vorher nichts davon gesagt.
Ich hatte nur mit dem Vikar gesprochen und
ihm gesagt, dass er das Aufgebot verlesen
möchte. Nun kommt der Chef und sagt
mir, er hätte mir doch eine Andeutung
gemacht, dass er noch nicht damit einver-
standen sei. Jetzt sagt er auch, das könnte
das Haus nicht tragen, meine Stelle sei nur
eine Volontärarztstelle. Und ist sie aber
nicht. Der Vikar hätte das gerne gemacht, aber
der Caritasverband hat das abgelehnt. Die Sache hat
mir der Vikar selbst erzählt. Das ist auch egal.
Der Witz ist der, jetzt können sie mir monatlich
110.- RM abziehen für Wohnung und Verpfle-
gung, woran sie ja mächtig verdienen. Dem Haus
macht es wenig aus, ob einer mehr oder weniger
mitisst. Die Schwierigkeiten haben sich erst
garnicht so dargeboten. Ich habe die Nase
restlos voll. Nun sag mal, hat in Wewelsburg
das Aufgebot vielleicht auch Staub gemacht?
Wenn ich dann Deinen lieben Brief lese, den
ich gestern erhielt, werde ich ganz traurig. Sollen
wir beide denn kein Glück haben. Es wird uns
einfach nicht gegönnt. Jetzt die Sache mit
dem Urlaub ist auch noch nicht so klar.
Vom Chef habe ich noch keine Zusage für Ur-
laub. Wenn auch die Schwester Sergia, die Rönt-
genschwester sagt, ich könnte in Urlaub fahren.
Jetzt lass bloss die Nonnen nicht dahinterkom-
men, dass wir schon standesamtlich verheiratet
sind. Schreibe doch bitte als Absender auf
Deine Briefe einfach: Kloppenburg, Wewelsburg.
Nun ist die Sache aber am Rollen, ich bin mal
gespannt, was dabei rauskommt. Der Chef will
mit mir nochmal darüber sprechen. Die ganze
Sache sieht von ihm so aus, ich soll Hausassistent
sein, soll dauernd hier im Haus erreichbar
sein. In anderen grösseren Krankenhäusern gibt
es ja diensthabende Ärzte, wie es in Aplerbeck
war. Hier gibt es so etwas nicht. Wenn das Frl.
Doktor hier ist, wechseln wir uns ja im Dienst
ab. Jetzt bin ich ganz allein. Ich kann Dir
sagen, ich bin in der letzten Woche nicht einen
Schritt vor der Tür gewesen. Das ist auf die
Dauer kein Zustand. In der letzten Woche
war vielleicht viel zu tun. Selbst heute hatte
ich keinen Sonntag. Heute vormittag gab es zwei
kleine Operationen, dann grosse Hausvisite. Über
Mittag hatte ich mich etwas hingelegt. Dann wurde
ich schon geweckt, eine Neuaufnahme sei da.
Dann kamen noch sechs andere. Davon mussten
zwei Operationen sofort gemacht werden. Der Chef
war auch gerade da. Bei der Gelegenheit sprach
er mit mir. Was sagst Du nun zu dieser
Angelegenheit? Erfreut bist Du bestimmt nicht.
Ich mag Dich garnicht damit belasten. Du
bist so froh bei den Vorbereitungen für die
Hochzeit. Aber schliesslich musst Du auch
wissen, mit welchen Schwierigkeiten ich hier
kämpfe. Das beste wäre, man hängt hier alles
an den Nagel und haut ab. Wenn Du nur
etwas hörst von einer anderen Stelle, gehe ich
sofort hier weg. Wie machen wir es nur mit
unserer Hochzeit? Unter diesen Umständen bin
ich dafür, wir schieben sie auf, was wir ohne
weiteres können (ich meine das in Bezug darauf, dass
wir nicht heiraten „müssen”). Wie Du so schön
schreibst die Sorge macht den Menschen nur alt
und hässlich, so will ich mir auch keine grauen
Haare wachsen lassen.
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