Wewelsburg, d. 16.Okt. 1947
Mein liebster Franz!
Bist Du wieder gut in Kirchlinde gelandet?
Für uns waren diese letzten Tage voll von uner-
freulichen Ereignissen. Der Busse fuhr am Dienstag
morgen schon wieder ab. Er war auch ziemlich auf
Kathi reingefallen. Aber im großen u. ganzen hat er
Willi ganz gut Bescheid gesagt. Am Dienstag abend
kamen Willi u. Kathi, um mit Mutter zu verhandeln
(also was sie von ihm verlangt). Sie wollen allein mit
Mutter sprechen, doch hat Otto sich nicht
abschieben lassen. Es ging dann toll her. Wir befürch-
teten immer, Mutter könnte dabei einen Schlag krie-
gen. Willi hat bei dieser Gelegenheit frei heraus gesagt,
daß er dieses Haus hier unten auch haben wollte.
Wir nahmen schon immer an, daß das sein größter Ärger
war. Ich werde Dir nächstens alles erzählen. Hanna ist
seit dem Abend ganz hier u. Otto seit gestern. Willi
verlangte dann gestern von uns, daß alle unsere Möbeln
bei ihm verschwänden. Das Zimmer, in dem er schlief hatte
er auf die Scheune gestellt. Es kam dann noch zu einem
Wortwechsel, doch hatte ich mir das alles schlimmer
vorgestellt. Er hat beim Umzug geholfen. Ein Bett für Otto
u. einen Schrank von Mutter haben wir noch auf die Diele
gestellt u. den dreiteiligen Schrank im Treppenhaus, oben
vor Pritschmanns Korridortür. Die Truhe steht nun vor dem
Fenster. Die anderen Möbeln sind auf
den Boden gekommen. Wir atmen alle auf, daß wir nun
endlich soweit sind. Mutter ist heute schon ganz anders.
Sie ist froh u. glücklich, daß wir nun alle so gemütlich
zusammen sind. Tante ist gestern nach Holth. gefahren,
damit Meinolf die Sache mit unserer Ernährungslage
durchfechtet. Von Willi haben wir noch keine Antwort.
1 Woche wollte er damit warten.
Ich muß jetzt noch an jedem Tage rauf u. die Milch holen.
Gern tue ich das nicht, aber immerhin habe ich noch das
dickste Fell.
Frau Artschwager ist heute für 12 Tage verreist. Ich soll
für Ingelein u. Herrn Artschw. sorgen. Wo Hanna nun auch
hier ist, da will ich es ihr lieber überlassen.
Liebster, schreib mir aber, sobald Du etwas Bestimmtes
über den Termin unserer Hochzeit weißt. Man hat Dir doch
wohl keine Vorhaltungen gemacht, daß Du erst am Diens-
tag zurück kamst? Ich weiß nicht, wie es ohne Dich
mit unsern Sachen geworden wäre. So hat alles wunderbar
geklappt. In meinem Kämmerchen schlafe ich ganz gut.
Wie wir das nach unserer Hochzeit machen, das wird
sich schon finden. Mit Pritschmanns Wohnung sehe ich
sehr schwarz.
Am Dienstag nachmittag war ich zum Zahnarzt. Montag
wird er mir an jeder Seite unten einen Backenzahn ziehen.
Es wäre nicht unbedingt nötig, aber nachdem er mir genau
auseinandersetzte, wieviel Krankheiten durch diese beiden
Zähne bei mir entstehen könnten, hielt ich es für angebracht
daß die Zähne verschwinden.
Herr Artschw. hat sich sehr über das Stückchen Rasierseife
gefreut u. dankt Dir noch dafür. Das Röllchen Nähgarn
habe ich dem Schneider gebracht.
Ich hoffe, daß ich morgen einen Bief von Dir bekomme.
Schade, daß wir uns nun nicht mehr telephonisch sprechen
können. Mutter u. auch Tante hat Dein Bier so sehr
gut geschmeckt. Vielleicht besorgst Du noch mal welches.
Von allen Familienmitgliedern des Hauses Nr. 3 soll ich
Dich ganz herzlich grüßen.
Viele liebe Grüße sendet Dir
Deine
Josi.
download klein.pdf gross.pdf (bitte etwas Geduld)