Wewelsburg, d.24.II.45
17.III.45 erhalten.
Lieber Franz!
Heute mittag, ich lag im Bett,
brachte man mir Deinen Brief. Ich war
eigentlich nicht krank, aber ein Ruhetag
tut mir mal ganz gut, um diese Jahreszeit
kann ich es mir noch leisten. Heute abend
schreibe ich Dir noch diesen Brief, weil
heute nacht aus dem Westen Flüchtlinge
kommen sollen. Ein Bett haben wir nicht
mehr frei, in dem wir sie unterbringen
könnten. Seit dem 8. Dez. ist Frl. Dr. Rusche
mit ihrer Mutter hier.
Ich wurde heute mittag lebhaft daran
erinnert, als ich im Juli zu Bett lag u. den
Brief erhielt, den ich Dir nicht beantwortet
habe. Da... ... mir so elend, wie nie
zuvor u. auch seitdem nicht wieder. Ich hatte
ein böses Geschwür. Es hat lange gedauert, bis
ich wieder auf die Beine kam. Es war ja auch
zuviel auf einmal.
Du schreibst, daß Du alles vergessen willst,
was vorher war. Ob ich das kann, das liegt
an Dir. Du hast mir das Leben eine zeitlang
sehr schwer gemacht. Die Krone von allem
hast Du damit aufgesetzt, daß Du mir am 13.8.
schriebst, „Wenn Du es übers Herz bringst, darfst
Du mich nochmal in Münster besuchen.”
Seitdem habe ich gedacht, dem Franz brauchst
Du nicht nachzutrauern, an ihm hast Du nichts
verloren. Wie sehr Du mich oft beleidigt u. ge-
kränkt hast, ist Dir wohl nie aufgegangen,
anscheinend hast Du dafür keinen Sinn.
Wüßte ich, daß das alles nur ein Seitensprung
war, so könnte ich Dir wohl verzeihen. Aber
ist nicht Dein ganzer Charakter so!? Bist Du
immer u. in allem so haltlos? Nimm mir die
beiden letzten Sätze nicht übel, es sind ja nur
Fragen. Wie ich die letzte Zeit verlebt habe,
darüber brauche ich Dir keine Abbitte zu
leisten. Es bestand ja nichts mehr zwischen
uns, ich war wieder ganz frei. Aber Du kannst
ruhig alles erfahren, allerdings nur mündlich.
Nun ist also auch euer Heim hin.
Ich erfuhr es schon von Deiner Tante u. zwar
am Tag nachdem ich Dir schrieb, also schon
eher als Du. Es ist furchtbar alles so restlos zu
verlieren u. tut mir sehr leid. Aber es ist doch
noch ein Glück, daß Deinen Angehörigen nichts
passiert ist. An dem Lebensmut Deiner Tante
kann man sich erbauen, mag sie sonst sein
wie sie will. Die Zukunft sieht für uns alle
trostlos aus. Ottens Verwandten aus Schlesien
sind noch nicht hier, alle andern Wewelsbur-
ger sind schon angekommen. Ottens Fernand
soll bei Breslau eingeschlossen sein, er war
beim Volkssturm.
Bei uns hat sich auch einiges verändert.
Hilde hat im Sept. geheiratet. Lothar haben
wir erst sehr vermißt. Er fühlt sich sehr
wohl bei seinem neuen Vater. Otto ist seit
dem 29.11. im Westen vermißt. Hoffentlich
erhalten wir bald endlich ein Lebenszeichen
von ihm. Es müßte wunderbar sein. Meine
beiden anderen Brüder sind im Osten.
Nun ist der Bogen bald voll. Ich hoffe,
daß auch Dein nächster Brief länger ist
als nur zwei Seiten. Meiner Freundin aus Vorhelm
werde ich auch noch schreiben.
Es wünscht Dir eine gute Nacht u. grüßt Dich herzlich
Josi.
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