1. (nach Volkl zurück geschickt) Overberge, d.19.I.1946
erh. 20.III.46. Metz
Mein Geliebter!
Wie endlos lange habe ich auf einen Brief von Dir
gewartet. Meine Freude kannst Du Dir sicherlich aus-
malen, als ich heute morgen Deinen lieben Brief erhielt.
(vom 4.I.46) Wie froh bin ich, daß es Dir gut geht.
Hoffentlich hast Du recht, daß es nicht mehr lange
ist, bis wir uns wiedersehen. An eine solch lange
Trennung hatte ich damals im März nicht gedacht.
Ich will mich mal bemühen, Dir das Wichtigste
aus der so bewegten Zeit zu schreiben. Als der A. am
2. Ostertag bei uns einrückte, ging alles, wider Er-
warten, ruhig vor sich. Die SS war, nachdem sie am
Karsamstag die Burg u. die beiden großen Gebäude
gesprengt hatte, sang- u. klanglos abgezogen. Es
war keinerlei Widerstand. In der Burg sind un-
heimliche Werte vernichtet worden. Die Sprengung
war nicht so schlimm. Es ist weiter nichts passiert.
Die Burg wurde des mittags gesprengt, des nachts um
12Uhr war ich noch einmal drin. Es hätte noch
vieles rausgeholt werden können, aber die Menschen
waren wie besessen, sie hatten eine Zerstörungswut,
es tat weh, wenn man es sich ansah. Manch einer hat
sich reich gemacht. Ich habe mir nur Wein rausgeholt.
An Sachen von der SS möchte ich mich nicht bereichern.
Es waren viel kunstvolle Gemälde, Teppiche u. auch
viele gute Bücher drin.
Die Franzosen zogen dann sofort Richtung Heimat.
Raymund hat schon öfter geschr., er ist enttäuscht
von seinem geliebten Frankr. (Awrane?) holte dann sei-
nen Sohn zu uns. Sie glaubten, Hanna würde ihn heira-
ten. Als sie dann merkten, daß das nichts gab, wurde
der Alte unverschämt frech. Es fehlte nicht viel, dann
hätte er Hanna umgebracht. Das waren schlimme Tage.
Eine Nacht hatten wir 50 Amerik. im Haus. Sie waren
ganz anständig, nur haben sie mir meine Schmuck-
sachen u. auch meinen Füller mitgenommen. Du
mußt daher entschuldigen, daß ich nicht mit Tinte
schreibe. In Wewelsburg haben viele Amerik. gelegen.
Jetzt sind auch Engl. dort. Im Mai mußten die
Wewelsburger Parteimitglieder 15 Menschen aus-
buddeln, die die SS im März erschossen hatte. Zum
Glück war es kalt. Die wurden dann kirchlich auf
dem Friedhof beerdigt. Der Pastor hat wunderbar gere-
det. Er ist ja immer auf Draht. Bürgermeister ist
der (Jewert?). Dierkes war auch Ortsgruppenleiter, ist
noch nicht zurück. Hartmann war Propagandaleiter
ist seit einigen Wochen wieder da.
Im Juni ist bei Henneböhlen eine kl. Margret an-
gekommen. Ich war öfter in Ahden. Dann wurde in
Holthausen der kl. Ulrich geboren. 2 Tage darauf
kam Heinrich u. noch in derselben Woche Willi.
Wir waren glücklich, doch zu schnell kam die große
Enttäuschung. Wir haben uns schwarz geärgert über
die Herren. Willi ist natürlich immer der schlimmere.
Man muß sich seiner schämen. Wir haben geschuftet
u. geschuftet u. alles für diese Herren getan u. noch war
es nicht richtig. Ich bin dann am 2. Nov. nach hier
gegangen. Mit Willi sprach ich schon lange nicht mehr,
mit Heinrich nur kaum. Mir ist der letzte u. größte
Ärger erspart geblieben. Hanna war sehr krank. Sie
hat zu wenig rote Blutkörperchen. Eine Woche später
kam ganz unerwartet Hans Artschwager. Ein Kame-
rad, ein Arzt, der sich in Wewelsburg niedergelas-
sen hat, nahm an, er sei tot. Der Artschwager war
meinen Brüdern ein Dorn im Auge. Sie waren eifer-
süchtig u. konnten nicht leiden, daß Mia u. Hanna
u. vor allem Vater und Mutter ihn gern mochten. Am
Hl. Abend kam denn der letzte Knall. Willi schmiß
Hanna und Mia raus. Das war eine taurige Weihnacht.
Hanna und Mia sind unten. Heinrich spielt vorläufig
Dienstmädchen. Ich war nach Weihnachten einige
Tage zu Hause, natürlich unten. Erst habe ich mich
ganz furchtbar gegrämt, doch schließlich habe ich
mich beruhigt u. schöne Tage in W. verlebt. Hoffentlich
hast Du meine Karte erhalten, die ich Dir von dort
schrieb. Ich war glücklich Dir wenigstens 25 Worte
schreiben zu können. Otto ist in Italien, es geht ihm
sehr gut. Ein Lichtblick, besonders für meine Eltern.
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