Nr.42 Wewelsburg, d. 23.Sept. 1946
Mein liebster Waldo!
Herzlich danke ich Dir für Deinen lieben
Brief vom 8. Sept., den ich heute erhielt.
Hoffentlich bist Du nun schon im Entlas-
sungslager u. dieser Brief kommt an
mich zurück. Aber ich will mich keinen
falschen Hoffnungen hingeben.
Nun erstmal schnell alles Neue von hier.
Seit Donnerstag wohnt Deine Tante wieder
für immer bei Ottens. Bei Ottens waren
Flüchtlinge ausgezogen, sodaß nun 2 Zim-
mer leer standen. Ob Deine Tante ganz
dort mit im Haushalt ist, kann ich nicht
sagen, nehme es aber an. Denn sie kann
unmöglich allein fertig werden, sie sieht so
sehr schlecht. Sonst geht es ihr ganz gut, nur
hört sie auch nicht mehr gut. Die Wünnen-
berger hätten das Haus so furchtbar voll.
Niggemeiers Tante ist ganz glücklich, daß
Deine Tante nun wieder hier ist.
Am Freitag war ich für Dich zur Kreisspar-
kasse nach Paderborn. Die hatten bei Deiner
Tante angefragt, ob Du noch nicht zurück
seist. Sie sagten mir dann, daß nichts
Besonderes vorläge. Du möchtest Dich sofort
melden, wenn Du zurück kämest.
Gestern haben Otto u. ich Heinrich, per Fahr-
rad, in Fürstenberg besucht. In Haaren haben
wir erst Station gemacht, weil dort ein
Karusell war. Wir haben viel Spaß gehabt.
Im Karusell haben wir soviel verdient, daß
es uns beiden schlecht war nachher, besonders
Otto. Er hat es augenblicklich am Magen.
In Fürstenberg war es prima. Heinrich ist
dort ganz wie zu Hause. Die Leute sind sehr
nett. Der einzige Sohn ist bei Stalingrad
vermißt worden, es ist anzunehmen, daß
er tot ist. Eine Tochter ist nur noch zu
Hause u. die erbt nun das Vermögen, 80 Mor-
gen Land u. besserer Boden als bei uns.
Die Tochter hat mir sehr gut gefallen. Ein
hübsches u. nettes Mädchen, sehr forsch,
vielleicht ein bißchen zu frech, aber das
kann dem Heinrich nicht schaden. Ihren Eltern
gegenüber ist sie sehr rücksichtsvoll. Der
Vater ist schon 77 Jahr alt. Die möchte ich
schon als Schwägerin haben. Heinr. ist mit
uns zurück gefahren weil er heute wieder wegen
Wimschulte zur Gerichtsverhandlung mußte.
Willi ist seit Samstag verreist, zu seinem
Liebchen nach Haspe, Das ist herrlich. Morgen
kommt er sicher zurück.
Gestern war hier Sportfest. Der Sportplatz ist
jetzt dort oben auf dem Reitplatz. Ich kann
kein Interesse für's Fußballspiel aufbringen.
Am Abend war Tanz in der Autogarage,
Bolleys gegenüber. Ich habe mir das mal
kurz angesehen, es war ein Bombenbetrieb.
Die Sperrzeit war für die Nacht aufgehoben.
Bei uns kommt jetzt ein Besuch nach
dem anderen. Ich wollte, diese Woche wäre
erst vorbei. Wenn die alle kommen, die sich
hier angemeldet haben, können wir sie gar-
nicht unterbringen. Alles will Bucheckern
sammeln. Ich habe im allgemeinen gern Besuch
aber nicht alles so auf einmal u. wenn man
so unheimlich viel Arbeit hat. Die Weintrauben
sind jetzt so schön, aber wir haben tatsächlich
keine Zeit uns welche zu pflücken. Das ist
nicht übertrieben. Des abends ist es früh dunkel.
Auch um die Weintrauben tut es mir leid,
daß Du nicht hier bist. Alles Obst, besonders
die Pflaumen sind in diesem Jahr so süss.
Du hörst zur Familie. Du wirst nicht als Besuch
gerechnet. Wärest Du nur erst hier. Du kommst
hoffentlich erst zu mir. (reimt sich sogar)
Von Deiner Mutter wirst Du nun auch den
Brief haben, in dem sie Dir geschrieben hat,
wie es in Dortmund war.
Meine Mutter hat wahnsinnige Schmerzen
im Rücken, sie hat Nervenrheuma.
Für heute abend will ich Schluß machen.
Gute Nacht, Liebster.
Herzlichst grüßt Dich Deine Dich in Sehnsucht
erwartende
Josi.
Ich soll Dich von allen herzlich grüßen
u. Du sollst bald kommen.
Deine Josi.
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