Nr.3                             Wewelsburg, d. 13.I.1947

              Mein liebster Waldo!
Ganz herzlich danke ich Dir für Deinen so lieben Brief den ich schon heute
morgen erhielt. Mein erster Brief hat sich ja schrecklich lange Zeit genom-
men bis zu Dir, Geliebter. Mit Deinem lieben Brief hast Du mir sehr viel
Freude gemacht. Darum antworte ich Dir auch sogleich, zudem kann ich Dir
ziemlich ungestört schreiben. Willi ist nicht da, seine bloße Anwesenheit stört
mich nämlich schon. Mutter ist seit heute morgen ziemlich krank, anschei-
nend Hexenschuß. Hanna trifft sich gleich mit ihrem Erich bei Rubarths.
Mittwoch fährt Herr Steinort wieder. Ich wünschte beinahe, er wäre nie
hier auf der Bildfläche erschienen. Ich glaube, daß Hanna ihn heiratet, auch
wenn er nicht katholisch wird. Wenn sie ihn nicht heiratet, dann mit Rücksicht
auf Mutter. -- Liebster Waldo, was sind wir zwei doch glücklich dran.
Heinrich ist auch heute hier. Er hat viel Sorgen, um seine Aussteuer zusammen zu
kriegen. Wahrscheinlich bekommt er von Grote ein Schlafzimmer gemacht, natürlich
mit Schmieren, aber doch nicht übermäßig. Das Holz liefert auch Grote. Dann fehlen
aber immer noch die Matratzen u. Federn u. die (Parchen?). Die Matratzen kann
Ehlert machen, bei ihm muß man natürlich auch etwas schmieren, damit er Material
bekommt. Hätten uns damals die Pollaken die Gänse nicht gestohlen, so hätten
wir heute Federn. Heinrich sollte heute in Salzk. bei Klingenthal nach Betten
fragen, hat es aber mißverstanden. Mutter u. Tante müssen mal hin, die kennen
den alten Kl. persönlich. Wenn man Holz hat, bekommt man dort für Geld ein
Schlafzimmer gemacht. Für eine Küche muß man 5 Ztn. Hafer liefern.
Das ist an sich nicht viel, wenn man den Hafer hat. Von Willi ist nichts zu
erhoffen. Der Rechtsanwalt hat sich damals von Willi bestechen lassen. Er war
immer darauf bedacht, daß die Kosten für Willi nicht zu hoch wurden.
Mein Vater hätte das in gesunden Tagen machen müssen, es wäre für uns besser
gewesen. Vater war nicht so feige u. so besorgt um seinen Ältesten wie Mutter.
Willi braucht uns unsere Aussteuer erst dann zu liefern, wenn sie im freien
Handel zu kaufen ist. Ich muß mich mal ganz genau bei Maria erkundigen.
Maria, Willi u. natürlich meine Eltern waren dabei als das Testament aufgesetzt
wurde. Aber von den 10 Morgen Land, die Mutter sich hat verschreiben lassen
wäre genügend Korn für uns zum Schmieren da. Aber Mutter ist zu feige.
Bei uns sind traurige Zustände. Das Schlafzimmer ist mir ja verschrieben,
natürlich mit Federbetten.
Schöner ist es ja, wir bekommen ein Neues. -- Mir würde es nichts ausmachen,
Willi zu beklauen, wenn ich nur Gelegenheit hätte. Das wäre auf keinen Fall stehlen
sondern mein gutes Recht. Als Willi nach Haspe war u. den Speicherschlüssel hier
gelassen hatte, haben wir die Gelegenheit gut wahrgenommen. Bei Ehlerts u.
Ruprechts waren die Scheiben ganz zugefroren, sehr günstig. Eine etwas aufregende
Sache ist es ja immer bes. für Mutter. Aber leider sehen wir uns dazu gezwun-
gen. Die Hühner da unten bekommen sonst kein Spier Korn. Willi hält auch
uns hier oben mit Weizenmehl so knapp, daß wir denen da unten schlecht
etwas abgeben können u. Mia kann doch nicht ohne Zwiebäcke sein. Nun genug
von diesem unerfreulichen Thema.
Liebster, in Deinem nächsten Brief schreibst Du mir hoffentlich viel über
Deine Verhältnisse. Von dort kommt die Post ja sehr schnell über. Wann
war mein Brief gestempelt? Hat Otto ihn nicht am Samstag früh in Paderborn
abgegeben? Ich schicke Dir heute meinen letzten Briefumschlag. Diesen Bogen
habe ich mir schon von oben, von Deinem Papier geholt.
Über den Staubsauger freue ich mich sehr. Er ist nicht so übermäßig teuer.
Wie Du schreibst, ist er ja gut, doch elektrisch? Ein Staubsauger ist eine
wesentliche Erleichterung beim putzen. Woher bekamst Du denn eine solche
Bescheinigung? Im reellen Handel ist anscheinend alles nicht sehr teuer.
Ein Schlafzimmer für 350 M ist ja auch nicht viel Geld. Wie sah
das Schlafzimmer aus. Ich glaube, die sind jetzt so ziemlich alle einheitlich.
Wie das Bett in Tudorf, ziemlich niedrig. In Olpe bei einem jungverheirateten
Apotheker habe ich im Herbst ein solches Schlafzimmer gesehen. Das war
ganz nett, sehr einfach. 10 M Tabak ist schon eine unheimliche Menge.
Aber man könnte sich ja leicht ein großes Stück anbauen. Wenn Willi nicht
wäre würde ich das bestimmt machen. Aber dann hätte ich schließlich auch
Korn, das wäre einfacher. Ich werde mich gelegentlich mal erst um eine
Küche bemühen. Der Tisch muß unbedingt zum Ausziehen sein.
Soll ich Dir das Geld für den Staubsauger schicken, oder willst Du es
erst auslegen u. nächstens mitnehmen?
Gestern hat der Pastor eine Vorlesestunde gehalten. Er hat uns eine
Weihnachtsgeschichte von Hans Franck u. etwas von den Monarchen von
Heinrich Luhmann vorgelesen. Es war sehr schön.
Ich muß jetzt Schluß machen. Hoffentlich erwische ich den Postfritzen
noch, damit er diesen Brief mitnimmt.
Herzallerliebster sei vielmals innig gegrüßt u. geküßt von Deiner
                        Dich über alles leibenden Braut.

Deiner Mutter bzhw. Deinen Eltern habe ich
am Freitag geschr.
            Herzlichst
                    Deine Josi.


download klein.pdf gross.pdf (bitte etwas Geduld)

Blatt 1/4 von 1947.01.13 Brief Josi an Franz



Blatt 2/4 von 1947.01.13 Brief Josi an Franz



Blatt 3/4 von 1947.01.13 Brief Josi an Franz



Blatt 4/4 von 1947.01.13 Brief Josi an Franz